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Monats-Archive: März 2013

Mutmachworte März 2013 …

 

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… mach Musik

Diesen Monat möchte ich Ihnen eine Geschichte weitergeben, die ich vor Kurzem bekommen habe. Ich finde sie sehr bewegend, aber auch sehr ermutigend.

Am 18. November 1995 trat Itzhak Perlman, der Violinist, auf die Bühne, um in New York ein Konzert zu geben. Vielleicht wissen Sie, dass allein schon dies keine einfache Sache für ihn ist. Er hatte als Kind Polio und trägt an beiden Beinen Schienen und geht an Krücken. Er geht mühsam und doch majestätisch über die Bühne bis zu seinem Stuhl. Dann setzt er sich, legt die Krücken ab, öffnet die Schienen, schiebt ein Bein unter den Stuhl und stellt den anderen nach vorn. Dann bückt er sich und hebt die Geige auf, klemmt sie unter das Kinn, nickt dem Dirigenten zu und beginnt zu spielen. Inzwischen ist sein Publikum daran gewöhnt und sitzt ruhig da, bis er bereit ist zu spielen.

Aber diesmal ging etwas schief. Nach den ersten Noten barst eine Saite. Man hörte sie wie einen Schuss durch den ganzen Saal. Es bestand kein Zweifel, was dieses Geräusch bedeutete und was er nun tun musste. Er würde aufstehen und die Schienen anlegen müssen, um dann die Krücken aufzuheben und von der Bühne zu humpeln, um eine andere Geige oder eine neue Saite zu holen. Das tat er aber nicht. Stattdessen wartete er einen Moment, schloss die Augen, und dann gab er dem Dirigenten ein Zeichen, wieder anzufangen.

Das Orchester fing an, und er spielte dort weiter, wo er aufgehört hatte. Er spielte mich solcher Leidenschaft und Kraft und Reinheit wie nie zuvor. Natürlich weiss jeder, dass es unmöglich ist, eine Symphonie auf drei Saiten zu spielen. Aber an jenem Abend weigerte sich Itzhak Perlman, das zu wissen.

Man konnte sehen, wie er das Stück im Kopf änderte und neu komponierte. Einmal klang es, wie wenn er die Saiten anders stimmte, um ihnen Töne zu entlocken, die sie noch nie hervorgebracht hatten. Als er endete, hing eine ehrfürchtige Stille im Raum. Und dann standen die Leute auf und riefen und jubelten in einem mächtigen Applaus. Wir waren alle auf den Beinen und jauchzten, um ihm zu zeigen, wie sehr wir schätzten, was er getan hatte.

Er lächelte, wischte den Schweiss von der Stirn, hob den Bogen und gebot Stille, und dann sagte er – nicht prahlerisch, sondern still und nachdenklich – „Wissen Sie, manchmal ist es die Aufgabe des Künstlers, herauszufinden, wie viel Musik man noch machen kann mit dem, was einem noch bleibt.”

Welch starke Aussage dies ist. Vielleicht ist das die Definition des Lebens – nicht nur für Künstler, sondern für uns alle. Da ist ein Mann, der sich sein ganzes Leben darauf vorbereitet hat, auf einer Geige mit vier Saiten Musik zu machen. Und dann hat er plötzlich mitten in einem Konzert nur noch drei Saiten; also macht er mit drei Saiten Musik. Die Musik, die er an jenem Abend mit nur drei Saiten machte, war schöner und unvergesslicher als alles, w und unvergesslicher als alles, was er je mit vier Saiten gespielt hatte.

So ist es vielleicht unsere Aufgabe in dieser wackligen, sich ständig ändernden, verwirrenden Welt in der wir leben, Musik zu machen – zuerst mit allem, was wir haben, und dann, wenn das nicht mehr geht, Musik zu machen mit dem, was uns bleibt.

Ich bin froh, dass ich keine Symphonie spielen muss, sei das nun mit drei oder vier Saiten. Aber es ermutigt mich, dass es reicht, wenn ich tue, was ich kann mit dem, was ich habe. Das mag nicht vollkommen sein, aber wenn ich das, was ich habe, erfinderisch einsetze, dann ist das gut genug. So gehen auch Sie und machen Musik mit dem, was Sie haben.

Barbara Beusch
© www.crossroadsministries.ch

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